Julie Hayward
Katrin Bucher-Trantow

Julie Hayward zeichnet. Frei und aus sich heraus. Einerseits ist dieses automatische Zeichnen Selbstzweck, andererseits aber ist es der Weg, um zu den plastischen Formen zu gelangen, die, aus dem Unterbewussten aufsteigend, zuletzt selbstständig und selbstverständlich eigene Körper im Raum bilden. Oft erinnern die Objekte, die aus Kunststoffen wie Schaumgummi, Polyester oder Latex gefertigt sind, an gut designte Alltagsgegenstände, deren Benutzbarkeit irgendwie abhanden gekommen ist. Sie stehen, liegen oder hängen wie Accessoires aus Gullivers Kinderzimmer etwas überdimensional im scheinbar zu klein geratenen Raum und lassen die Besucher ungewollt zu Bewohnern Liliputs werden. Die Werke, die den Ort für den Betrachter so sehr bestimmen, evozieren dabei eine perverse Doppeldeutigkeit, nicht nur durch ihre Titel wie Suck, Shelter oder Bound Slippers, sondern vor allem durch ihre kindlichen Formen und sind alles andere als nur niedlich. So ist beispielsweise TV-Baby (2 x 2 m) in rundlichen Formen und mit einer weichen, rosa Haut überzogen, dabei doch so künstlich steril und perfekt, dass darin eine Obsessivität durchscheint, die mitten im Betrachten unangenehm berührt. Das "Baby" - man ist sich nicht sicher, ob es sich dabei um den Nachwuchs der häuslichen Unterhaltungsmaschine oder aber eher um die eigenen TV-süchtigen Kinder zu Hause handelt - ist mit einer Silikonhaut überzogen, hat nabelschnurartige Verbindungen zu allen Teilen seines aus verschiedenen Organformen zusammengesetzten Körpers und gemahnt in seiner künstlichen Schönheit und obsessiven Perfektion an Objekte von Beate Uhse. Diese Fantasieobjekte stehen, anders als bei Monica Bonvicini, nicht in der Tradition der Body Art, sondern sind eher verwandt mit Arbeiten Jeff Koons’ oder auch Erwin Wurms und sind dabei dem ironischen Pop ebenso wie der Unheimlichkeit des längst Vertrauten nach Freud verpflichtet. Die für das Kunsthaus geschaffene Arbeit O.T., 2008, ist wohl weniger ironisch als unheimlich und wurde unter einer ihrer Zeichnungen für das Thema entdeckt. Verschiedene Ringe mit Speichen wie Samenkapseln oder Wirbel einer unbekannten Art beginnen zusammen eine Säule zu bilden, richten sich auf und scheinen nun in der Künstlichkeit der Prothese lebensbereit.


Erschienen in:
Leben! Biomorphe Formen in der Skulptur.
Hrg.: Peter Pakesch, Verlag: Walter König, Köln
Erschienen anlässlich der gleichnamigen Ausstellung
Leben? Biomorphe Formen in der Skulptur, Kunsthaus Graz, 2008-2009