Julie Hayward
Peter Baum

Es gibt nicht allzu viele jüngere Künstlerinnen und Künstler, deren Œuvres guten Gewissens als eigenständig bezeichnet werden können. Allein originell zu sein ist sicherlich zu wenig. Ebenso wenig zählt ein spekulativ zur Schau getragener Zeitgeist, um nur ja nicht als überholt zu gelten und wenigstens ein wenig von dem mitzubekommen, was eine auf Unterhaltung und Abwechslung erpichte Eventgesellschaft als Kuchen für Kunst und Künstler bereit hält.
Was von einem Werk, das überzeugen will, ausgehen sollte, sind Tiefgang und eigenständige bildnerische Umsetzung, basierend auf einem Fundament spürbarer, einsehbarer und glaubwürdiger Parameter, wie sie für das expandierende Spannungsfeld der Kunst heute vorrangig Gültigkeit haben. Apodiktisch und im Sinne oberlehrerhaften Besserwissens werden diese nicht erstellt, in Verbindung mit einem ständig sich wandelnden Kunstbegriff gibt es allerdings – wie auch schon früher, wenn auch verschiedentlich anders – Qualitäten und werkimmanente Fakten, die von allen mit Kunst Beschäftigten anerkannt und von der Fachwelt mit ihren besten Trendsettern und engagierten Sammlern an der Spitze als Indikatoren herangezogen werden.

Eine österreichische Künstlerin, auf die Prädikate wie eigenständig und nachhaltig im Sinne adäquater Materialnutzung und inspirierter, originärer formaler Umsetzung zutreffen, ist die in Wien als Plastikerin, Zeichnerin, gelegentlich aber auch mit dem Medium Photographie arbeitende Julie Hayward. Ausgebildet zwischen 1987 und 1993 an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien und gestützt auf zusätzliche Erfahrungen im Rahmen zweier Stipendien in New York, setzten sich Haywards ungewöhnliche, philosophisch orientierte, technoid-surreale Statements im Raum schrittweise durch: zunächst über Ausstellungen in kleineren Galerien und erste wichtige Ankäufe, dann aber auch über Einladungen zu Museumsausstellungen in Klosterneuburg (Sammlung Essl), Schloss Morsbroich, Leverkusen, dem Lentos in Linz und dem Museum der Moderne in Salzburg.
Der Projektraum Viktor Bucher im zweiten Wiener Gemeindebezirk präsentiert seit geraumer Zeit die jeweils neuesten Arbeiten. Aus der überzeugenden Serie dieser zumeist über längere Zeiträume entwickelten Werke stammt auch die mit 2OO6 datierte und jetzt in der Sammlung Liaunig befindliche, von der Decke an Nylonschnüren herabhängende raumgreifende Arbeit, betitelt „Shelter“. Das in Rosa und Schwarz gehaltene Objekt vereint Polyester, Aluminium, Schaumgummi und textiles Material. Bei einem Vergleich mit möglichen Vorbildern denkt man wahrscheinlich rasch an Bruno Gironcoli (möglicherweise auch an Tony Cragg und Richard Deacon), merkt aber bald, dass Julie Hayward weniger technoid ist als ihr prominenter österreichischer Kollege, dafür aber mehr Poesie ausspielt und in ihren großzügigen formalen „Würfen“, die als packende Denkanstöße fungieren, bei aller Ambivalenz die größere, geschlossenere Form anstrebt.

Erschienen in:
Zeitgenössische Kunst: Museum Liaunig
Edition Liaunig, Sammlungskatalog 2008
Verlag: HL Museumsverwaltung GmbH
Erschienen anlässlich der Eröffnungsausstellung des Museum Liaunig in:
Museum Liaunig, Neuhaus/Suha 2008